Abstrakte Kunst
Nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges sehnten sich die Menschen nach einem
Neuanfang. Auch in der Bildenden Kunst herrschte in
Europa zunächst eine gewisse
Orientierungslosigkeit, denn die nationalsozialistische
Bilderstürmerei hatte zu einer künstlerischen
Verarmung geführt.
Schon die Expressionisten Kandinsky und Klee, die
Bauhaus-Konsruktivisten, die Künstler der
russischen Avantgarde und die Surrealisten hatten mit ihrer Kunst den Boden
zur Abstraktion bereitet. Diese Veteranen der
Klassischen Moderne bildeten das Bindeglied
zwischen Vor- und Nachkriegsepoche.
Nicht aus ästhetischen sondern aus
ideologischen Gründen lehnte man in der
Nachkriegszeit im Westen jegliche Form der
gegenständlichen Malerei ab. In der
vorschnellen Abwehrreaktion setzte man jede Form
der gegenständlichen Darstellung mit der
NS-Kunst und dem "Sozialistischen Realismus"
gleich, der im Ostblock "verordnet" wurde. Die
abstrakte Malerei hingegen erschien wegen ihrer
unverbindlichen und ideologiefreien Bildersprache
als einzig mögliche, dem "freien Westen",
angemessene Kunst und so wurde die abstrakte
Malerei in den 50er Jahren zum eindeutig dominanten
Stil der westlichen Kunstszene.
Die "Weltsprache Abstraktion" wird gern als Kunst
des Neubeginns bezeichnet, wenn auch ihre Wurzeln
unübersehbar in der Kunst der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts liegen. Trotz
alledem begann nach dem Krieg eine neue Ära in
der Kunst. So hatte nach dem Krieg niemand mehr die
Illusion, mit dem Pinsel die Welt verändern zu
wollen. Die Nachkriegskünstler nahmen der
bildenen Kunst die traditionelle Abbildfunktion und
präsentierten sie ungeschminkt, aller
darstellenden Funktionen entkleidet. Doch anders
als die Avantgarde nach dem Ersten Weltkrieg
wollten die Künstler mit der abstrakten Kunst
keine neuen Werte für die Welt, keine Utopien
entwerfen. Sie kreisten um sich selbst, suchten
nach individuellen Ausdrucksformen. Heraus kam
dabei eine verwirrende Vielzahl von Stilen und
Richtungen. In Deutschland wurde die abstrakte
Kunst unter dem Begriff "Informel" propagiert. Eine
verbindliche Richtung, was und wie Kunst zu sein
hatte, gab es nicht mehr. Nur die
Subjektivität des einzelnen Künstlers
wurde nun zum gültigen Maßstab erhoben;
alleine ihm wurde überlassen, ob er auf
ästhetische Konventionen oder bekannte
Kompositionsmuster Rücksicht nahm oder nicht.
Die künstlerische Freiheit, die im
Regelverzicht lag, machte jedoch dem breiten
Publikum den Zugang zur dieser Kunstform
äußerst schwer. Nicht wenige empfanden
die Arbeiten als dilletantische Farbschmierereien.
Vielen Menschen war nicht verständlich, wie
diese Malerei, in welcher der Alltag in keinem
Pinselstrich vorkam, als Ausdruck modernen
Lebensgefühls angesehen werden konnte.
Die Kunstbetrachtung erforderte neue Sicht- und
Sehweisen: Das "aus dem Bild herauslesen" war nicht
mehr möglich, nur das "Hineinsehen", was aber
Fantasie, Besinnung und Selbstbefragung erforderte.
Insofern passten die Bilder durchaus in ihre Zeit.
Durch die offensichtliche Botschaftslosigkeit der
Bilder war der Betrachter gefordert, sich auf sich
selbst zu besinnen. Von den Künstlern wurde
also ein "Schauen" erwartet. Der Betrachter sollte
versuchen, aufzunehmen, was ihm die Bilder
anzubieten hatten, ganz im Sinne von Leonardo da
Vinci der schon zu seiner Zeit die Sichtweise
"fantsievollen Schauens" gepriesen hat.
Die Wurzeln des amerikanischen Abstrakten
Expressionismus liegen nicht im Expressionismus,
wie man meinen sollte, sondern sind eindeutig im
Surrealismus, sowie in den total abstrakten
Arbeiten Kandinskys, Malevitchs und Mondrians zu
suchen. Die Ankunft in New York von
avantgardistischen europäischen Malern, wie
Max Ernst, Marcel Duchamp, Marc Chagall und Yves
Tanguy, während des Zweiten Weltkrieges,
inspirierte die amerikanischen Maler in den Jahren
1940 bis 1950 im Stil des "Abstrakten
Expressionismus" zu arbeiten.
Amerikanische Maler wurden auch durch die
subjektiven Abstraktionen des armenischen Malers
Arshile Gorky, der 1920 in die Vereinigten Staaten
eingewandert war, und durch den
deutschstämmigen amerikanischen Maler und
Lehrer Hans Hofmann inspiriert. Als weitere
Inspirationsquelle kann man die Arbeiten Roberto
Mattas sehen.
In Europa entstanden zeitgleich und unabhängig
verwandte Stilrichtungen unter den Bezeichnungen
"Informel" oder "Tachismus".
Insbesondere Paris entwickelte sich unter den
Malern Hans Hartung, Georges Mathieu, Nicolas de
Stael, Pierre Soulages, Jean-Paul Riopelle, Jean
Fautrier und Wols rasch zum Zentrum dieser
Kunstrichtung.
Wichtige tachistische Maler waren auch der Franzose
Camille Bryen, der Spanier Antoni Tàpies und
der Italiener Alberto Burri.
In Deutschland nahmen ab 1952 Maler wie K.O.
Götz, Bernard Schultze, Otto Greis, Heinz
Kreutz, Carl Buchheister oder K.R.H. Sonderborg die
neuen Entwicklungen auf.
Ihnen folgten Fred Thieler, K. F. Dahmen, Emil
Schumacher, Gerhard Hoehme und Peter Brüning,
die alle zusammen das deutsche "Informel"
verkörperten. Diesen Malern gelang es, die
deutsche Kunstszene an den internationalen Standard
heranzuführen. Sie waren, aufgrund ihrer
Konzeption, dazu in der Lage, einen
eigenständigen Beitrag zur "Weltsprache der
Abstraktion" beizusteuern. Diese Kunst hatte, auch
international gesehen, höchstes Niveau.
Die abstrakte expressionistische Bewegung, in New
York und an der Ostküste, wird auch als die
"New Yorker Schule" bezeichnet. Zu den wichtigsten
Hauptvertretern des Abstrakten Expressionismus
zählt fraglos Jackson
Pollock mit seinen charakteristischen Drip
Paintings.
Wesentlich flächiger angelegt, doch nicht
weniger spannungsgeladen, waren die Arbeiten von
Franz Kline, Willem de
Kooning und Robert Motherwell. Adolph
Gottlieb, Barnett Newman, Mark
Rothko und Ad Reinhardt werden ebenfalls
zum "Abstrakten Expressionismus" gezählt,
wenngleich ihre Bilder verhaltener angelegt sind.
So schuf Mark Rothko pulsierende Rechtecke aus
durchtränkter Farbe in seinen Arbeiten; viele
dieser Bilder sind Beispiele von abstrakter
Landschaftsmalerei. Bradley Walker Tomlin, Philip
Guston, Robert Burns Motherwell und Adolph
Gottlieb kombinierten Elemente von sowohl
Aktions- als auch abstrakter Landschaftsmalerei in
ihren Arbeiten.
Doch auch die Künstler der amerikanischen
Westküste, Sam Francis (lebte lange Zeit in
Paris), Clyfford
Still und Mark Tobey, die in eine
ähnliche Richtung weisen, sind als weitere
Vertreter des "Abstrakten Expressionismus" zu
nennen.
Zusammenfassend kann man heute wohl zu folgendem
Schluss kommen: Ohne die wichtigen Impulse aus
Europa wären die Arbeiten der amerikanische
Avantgarde des "Abstrakten Expressionismus" nicht
entstanden und die Künstler hätten auch
nicht ab 1945 bis weit in die siebziger Jahre
hinein das internationale Kunstgeschehen
maßgeblich bestimmen können.
Was man auch nicht verschweigen sollte, ist die
Tatsache, dass der amerikanische "Abstrakte
Expressionismus" wenig Innovatives hervorgebrachte,
eine Vielzahl der Arbeiten waren reine
Massenproduktion.
Viel wichtiger dagegen sind die Werke der weitaus
kreativeren europäischen abstrakten Maler.
Leider hat der internationale Kunsthandel bisher
eine objektive Bewertung dieser Künstler
verhindert. Solange europäische Museeumsleute
und Sammler die amerikanischen Abstrakten
höher einstufen, nach der Maxime
"teurer=besser", als ihre europäischen
Kollegen, wird sich daran wohl nichts ändern.
Vielleicht gibt es in Zukunft eine jüngere
Generation von Kunsthistorikern, die eine
objektivere Betrachtungsweise an den Tag legen.
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